Bildungspaket: Schülerbeschreibungsbogen - Der gläserne Schüler

Kinderscreening für die Wirtschaft? Bitte festhalten. Und das möglichst früh!

Im gestrigen Interview im DerStandard.at ließ Staatsekretär Mahrer durch seine verwunderlichen Aussagen über das „Screening“ aller Kinder ab 3,5 Jahren aufhorchen. Mahrer, will möglichst früh „mit dem Festhalten von Talenten und Begabungen beginnen“ und am Ende der Pflichtschule das Screening mit einem „Talente-Check“ abschließen, „den die Wirtschaftskammern mit den Ländern machen.“ „Natürlich datengeschützt … einsehbar … für die Schülerinnen und Schüler selbst, für die Eltern, vor allem aber für die Pädagoginnen und Pädagogen.“ Da fehlt doch noch etwas Wesentliches. Ganz am Schluss, wenn es um das Festhalten der Talente für die Klientel der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung geht, holen sie sich die elf Jahre gesammelten Screening-Daten der Kids für den Talente-Check. Da feiert ein tiefschwarzer Neoliberalismus wieder fröhliche Ursprünge.

Ich finde, ganz im Ernst, Screenings und Checks haben in der Schule flächendeckend nichts verloren.
Kommentar von Gerhard Pušnik
Ich habe schon vor 10 Jahren in der vlikraft ( die Zeitung der Vorarlberger LehrerInnen Initiative VLI) die pränatale Diagnostik für alle gefordert, damit wir früh genug wissen, welche Kinder in die AHS kommen werden. Der damalige LSR Stemer wollte davon jedoch nichts wissen.
Ich frage mich, wozu gibt es Screenings und Checks erst ab 3,5 Jahren? Weshalb wird nicht einfach der Mutter-Kind-Pass um ein paar Seiten erweitert und weitergeführt? Fragen über Fragen.
Glaubt wirklich jemand, die „Begabungen, Stärken, Schwächen, Talente des Kindes“ werden erhoben, um das Kind in seiner Entwicklung, Entfaltung, Selbstermächtigung, kritischen Haltung so gut es geht zu fördern und seinen Fähigkeiten, seinen Bedürfnissen, seinem eigenen Willen gemäß zu maximaler Handlungsfähigkeit zu verhelfen?
Und mit 15 Jahren überprüft die Wirtschaftskammer unter Mithilfe des Landes mit einem Talente-Abgreif-Test, an welches Förderband, zu welcher Lehrstelle, in welche HTL oder Hasch der oder die seit Geburt Gescreente gerade passt?
Ich finde, ganz im Ernst, Screenings und Checks haben in der Schule flächendeckend nichts verloren.
Was sollte denn anderes rauskommen als die Ahnung, die wir eh haben?
Die Bestätigung, dass eine/r auch ganz ohne Talente Staatssekretär oder Bildungsministerin werden kann.

Chronologie des Elementarkompasses

ÖVP-Sprachtest 2007 > Schmied-Gesetz 2008 > Elementarkompass 2015

Zur Chronologie des Elementarkompasses (siehe vorherigen Kommentar von Gerhard Pušnik) und der vorhergehenden Vorstöße. (Informationen dazu als Download)

Von Reinhart Sellner

Der österreichisch-deutschen Unkultur von Fehlerzählen, des Nachsitzen, Durchfallenlassen zur Absicherung der sozialen Auslese steht eine sozial-integrative Kultur des Förderns und Bestärkens gegenüber, die auf Beobachtung der Entwicklung und auf Lernfortschritte ausgerichtet ist, ebenso auf Bildungsziele und Mindeststandards die in unterschiedlichen Zeiträumen im Elementarbereich und der Grundschule erreicht werden sollen, Recht jedes Kindes auf Bildung und Förderung.
Das fällt bei der Gegenüberstellung des ÖVP/Neugebauer-Vorstoßes 2007 und der Schmied-Regelung von 2008 auf - der Gegensatz prägt auch das aktuelle Bildungsreformpapier der Bundesregierung. Überlagert von der ÖVP-Blockade einer bundesgesetzlich geregelten Anerkennung des Kindergartens als Bildungseinrichtung mit einem für alle Kindergartenbetreiber verbindlichen Bundes-Rahmenplan..

Bildungskompass: Hengstschläger zu „seinem Bildungskompass“

Im heutigen DerStandard.at-Interview nimmt Genetiker Hengstschläger Stellung zum Bildungskompass.
Geht es nach dem „Erfinder“ des Bildungskompasses, soll nach „Vorbild des Mutter-Kind-Passes … etwas Ähnliches für die Bildung eingeführt werden.“ Die Details kennt auch Hengstschläger nicht. Interessant ist, was er im Interview mit keinem Wort erwähnt, nämlich der Abschluss des „Screenings“ am Ende der Pflichtschule. Und dafür hat er auch einen nachvollziehbaren Grund, denn der hat es in sich. Laut Staatssekretär Mahrer (ebenfalls im Der Standard) endet nach elf Jahren das Dauerscreening mit einem „Talente-Check“, „den die Wirtschafts-kammern mit den Ländern machen.“ Ganz am Schluss, holen sie die Wirtschaftskammer und die Industriellen-vereinigung für ihre Klientel die elf Jahre gesammelten Screening-Daten der Kids - für den „Talente-Check“. So etwas erzählt man selbstverständlich nicht freiwillig, lässt diese Vorgangsweise die in dieser Angelegenheit das vielstrapazierte Datenschutzgarantieversprechen äußerst absurd erscheinen. Wichtiger ist Hengstschläger die Feststellung, dass die Eltern ein Vetorecht dann erhalten sollen, wenn ihr Kind Probleme mit einer bestimmten Lehrperson hat: „Es kann nicht sein, dass die Karriere eines Menschen von einem Menschen abhängt, der ihn nicht leiden kann.“

Wichtig ist, dass wir uns sicher sein können, dass die zukünftigen Arbeitgeber unsere Kinder/Jugendlichen mögen - also kein Thema für ein Vetorecht der Betroffenen.

MedienpädagogInnen warnen vor Überwachung im Bildungssystem

Kinder brauchen Freiheit, um sich entwickeln zu können. Was für PädagogInnen selbstverständlich ist, sieht die Bundesregierung anders: Kinder und Jugendliche gefährden unsere Freiheit. Diesen Eindruck erzeugen jedenfalls die Überwachungspläne der Bildungsreformkommission.

Was harmlos als „verpflichtende Potentialanalyse“ und „bundesweit einheitlicher Bildungskompass“ bezeichnet wird, führt in Verbindung mit dem bereits existierenden System „Sokrates Bund“ zu einer weitreichenden staatlichen Kontrolle und Überwachung aller Kinder und Jugendlichen. Das als Bildungskompass bezeichnete „einheitliche Portfolio-System“ ist angesichts der facettenreichen pädagogischen Potenziale von Portfolios (Entwicklung, Selbststeuerung, Selbstbestimmung, Reflexion) extrem kurzsichtig gedacht. Es ist nur von „Dokumentation, Evaluation und Weiterverfolgung“ die Rede. Das positiv konnotierte und in der Bildungswelt akzeptierte Konzept wird so von der Kommission verwendet, um das Überwachungsmittel Bildungskompass dahinter zu verstecken.
„Im Bildungssystem muss die Freiheit des Menschen im Mittelpunkt stehen, nicht die Überwachung“, kommentiert Univ. Prof. Dr. Theo Hug von der Universität Innsbruck die Vorschläge. Das sieht Univ. Prof. Dr. Christian Swertz von der Universität Wien ähnlich: „Wir erklären Kindern und Jugendlichen, wie sie ihre Privatsphäre in sozialen Netzwerken schützen. Demnächst müssen wir ihnen auch erklären, wie sie ihre Privatsphäre in Kindergärten und Schulen schützen“. >>> weiter lesen


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